Autorenbild Christine ÖttlTipps zu Karriere & Beruf

Vom Chef in eine Schublade gesteckt?

Ein Beitrag von Christine Öttl

Vielleicht gehören auch Sie zu den Menschen, die sich von ihrem Vorgesetzten unfair oder nicht richtig behandelt fühlen und den Eindruck haben, in einer bestimmten Schublade zu stecken, in die sie nicht gehören. Und natürlich kann das durchaus der Fall sein.

Wichtig ist, diese Situation nicht einfach als unveränderlich hinzunehmen und mehr oder weniger resignierend zu ertragen. Sondern der Sache auf den Grund zu gehen und sich aktiv damit auseinanderzusetzen.

"Es ist wirklich unfair. Ich mache meinen Job total gut und hänge mich voll rein. Aber mein Chef sieht das einfach nicht und gibt mir nie eine Chance weiterzukommen. Er hat mich einfach von Anfang an in die Schublade 'graue Maus' gesteckt und da bin und bleibe ich! Da kann ich machen, was ich will!" So beschrieb eine Kundin, die sich von ihrem Vorgesetzten verkannt fühlte, mir ihre Problematik.


Vorsicht Falle: Diagnosen stellen und Urteile fällen

Wohl die meisten Menschen neigen in solchen Situationen dazu, die tieferen Beweggründe hinter dem Chefverhalten ergründen zu wollen ("Warum nur? Was steckt dahinter?"). Das ist an sich ein guter Ansatz, aber da man normalerweise automatisch davon ausgeht, dass der Vorgesetzte im Unrecht sein muss, führen diese Fragen meist nur noch zu mehr Unverständnis ("Ich verstehe es überhaupt nicht. Und je mehr ich darüber nachdenke, umso weniger kann ich es nachvollziehen!") oder zu wenig hilfreichen Diagnosen (z. B. "Wahrscheinlich erinnere ich sie an jemanden, den sie nicht mag!" - "Bestimmt ist er neidisch, weil …"). In der Regel kommen dann noch Urteile dazu (z. B. "Aber das darf er sich doch nicht erlauben, in seiner Position!" - "Als Chefin muss sie über solchen Dingen stehen!"), die das Ganze erst recht brisant und frustrierend machen.

Viel hilfreicher und auch fairer ist es, realistisch zu bleiben und Ihren Vorgesetzten als das zu sehen, was er ist: ein menschliches Wesen mit Fehlern und Schwächen. Und da Ihr Chef ein ganz normaler Mensch ist, kann es natürlich passieren, dass er Sie falsch einschätzt und/oder unfair behandelt. Auch er oder sie hat Gedanken, Urteile, Vorurteile, Erwartungen und Ansprüche im Kopf, wie wir alle. Und wie wir alle kann natürlich auch Ihr Chef sich irren und nur diesen Teil von Ihnen wahrnehmen, der in sein vorgefertigtes Bild von Ihnen reinpasst (selektive Wahrnehmung).

Je mehr Sie sich von unrealistischen und starren Ansprüchen an Ihren Vorgesetzten lösen können, umso leichter wird es Ihnen fallen, Ihr "Schubladen-Projekt" aktiv und konstruktiv anzugehen.

Hier ein paar Gedanken, mit denen Sie sich selbst Auftrieb geben können:

- Ok, mein Chef/meine Chefin hat mich meiner Meinung nach in eine Schublade gesteckt und behandelt mich nicht so, wie ich das gerne hätte. Das gefällt mir nicht, aber mein Vorgesetzter ist auch nur ein ganz normaler Mensch und macht Fehler.

- Ja, ich finde es unfair, dass mein Vorgesetzter so mit mir umspringt. Aber er hat seine Gründe dafür - und ich möchte herausfinden, welche das sind.

- Ich möchte sehr gerne wieder aus dieser Schublade herauskommen. Und dafür kann ich einiges tun, denn ich trage ja auch einen Teil zu dem Image bei, den mein Chef von mir hat.


Hier ein paar Anregungen, wie Sie vorgehen können:


Machen Sie sich klar, in welcher Schublade Sie Ihrer Meinung nach stecken.

Belassen Sie es nicht beim allgemeinen Statement, dass Ihr Chef Ihnen einen bestimmten Stempel aufgedrückt hat, sondern machen Sie sich bewusst, was genau Sie damit meinen.
Denken Sie beispielsweise, dass Ihr Vorgetzter Sie für langweilig, unkommunikativ, zurückhaltend, renitent, vorlaut, langsam, pingelig, nörglerisch, wenig zuverlässig oder unkritisch hält? Was steht Ihrer Meinung nach außen dran an der Schublade oder an den Schubladen, in der/in denen Sie stecken?


Überlegen Sie, wie sich die Schublade bemerkbar macht.

Wenn Sie herausgefunden haben, in welcher Schublade Sie Ihrer Meinung nach stecken, gehen Sie den Dingen noch stärker auf den Grund: Listen Sie konkrete Beispiele für Ihre Diagnose auf. Wie genau äußert es sich, dass Ihr Vorgesetzter Sie für ... hält? Aus welchem Verhalten schließen Sie das?

Machen Sie sich bewusst, wie Sie "eigentlich" sind und wie Sie gerne von Ihrem Chef gesehen werden möchten.

Denken Sie intensiv über sich nach und machen Sie sich klar, inwiefern Ihr Selbstbild von dem Bild abweicht, das Ihr Vorgesetzter offenbar von Ihnen hat.
Vielleicht schätzen Sie sich selbst als sehr kommunikativ und offen ein, aber Ihr Chef geht mit Ihnen viel zurückhaltender um als mit anderen.
Vielleicht empfinden Sie sich als proaktive Persönlichkeit, die ihren Job voll im Griff und ein gutes Standing im Unternehmen hat, aber Ihr Chef sieht diese Qualitäten anscheinend nicht und denkt bei Beförderungen nie an Sie.


Seien Sie selbstkritisch und beobachten Sie sich genau.

Ziehen Sie in Betracht, dass Sie selbst wesentlich oder zumindest teilweise zu der Schublade beitragen könnten, in der Sie stecken.

Denken Sie über sich selbst nach und beobachten Sie sich ganz bewusst, um herauszufinden:

- Verhalten Sie sich tatsächlich so, wie Sie "eigentlich" sind?

- Was genau bekommt Ihr Vorgesetzter von Ihnen zu sehen und zu hören?

- Entspricht Ihre Außenwirkung dem, wie Sie gerne wirken wollen? Oder vermitteln Sie möglicherweise etwas, womit Sie sich keinen großen Gefallen tun?


Werden Sie aktiv!

Falls Sie merken, dass Sie sich nicht wirklich in Ihrem Sinne verhalten und dem eigenen Anteil an Ihrem "Schubladen-Dasein" auf die Schliche kommen, haben Sie viel gewonnen. Denn diese Einsicht hilft Ihnen dabei, aktiv zu werden, an sich zu arbeiten und Ihr Verhalten Schritt für Schritt so zu verändern, dass es zu Ihnen und dem gewünschten Image passt.

Falls Sie herausfinden, dass es wirklich nicht an Ihnen liegt, dann gibt es - falls Sie weiterhin im Unternehmen bleiben und sich selbst helfen wollen - nur zwei vielversprechende Möglichkeiten: Entweder zu lernen, mit dem falschen Image in Frieden zu leben. Oder das Gespräch mit dem Chef zu suchen, um herauszufinden und zu klären, wie er die Sache sieht, und um eigene Wünsche und Erwartungen konstruktiv anzusprechen.



Nächsten Tipp lesen:
» Psychoterror am Arbeitsplatz
Mobbing - Was ist das?

Über die Autorin:


(c) Christine Öttl, objektiv. Management & Lebensqualität
eMail: objektiv@selbstmarketing.de

Christine Öttl war selbst Führungskraft und viele Jahre Coach und Trainerin mit Schwerpunkt Bewerbung. Gemeinsam mit Gitte Härter hat sie unter anderem zahlreiche Bewerbungsratgeber veröffentlicht.

Link zum Buch:


Schriftliche Bewerbung: Mit Profil zum Erfolg. Anschreiben perfekt formuliert. Vom Kurz-Profil bis zur Online-Bewerbung. Mit Bewerbungsmappen-Check


Zurück zur Übersicht