Ein Beitrag von Gitte Härter
Ihre telefonische oder schriftliche Bewerbung war erfolgreich: Sie sind zum Interview eingeladen worden. Die meisten Bewerber sind - verständlicherweise - in dieser Situation recht nervös: Was sollen sie sagen? Wie sollen sie sich verhalten? Wann spricht man über's Geld? Was sind die besten Antworten?
Mit diesem Dokument möchte ich Ihnen eine Hilfestellung geben - und Einblick in Ihr Gegenüber, damit Sie gelöster in Ihr nächstes Gespräch gehen können und das Interview auch richtig nutzen, so dass es eine positive Erfahrung für Sie wird. Auch wenn Sie die Stelle nicht bekommen.
Wozu dient das Gespräch?
Das persönliche Gespräch dient beiden Seiten dazu, sich ein Bild vom anderen zu machen. Ich habe jahrelang selbst Bewerbungsgespräche geführt und dabei festgestellt:
Dabei ist es sogar verhältnismäßig einfach, in einem Interview beides zu erreichen:
Lesen Sie weiter, wie!
Aus der Sicht des Personalentscheiders
Versetzen Sie sich einmal kurz in Ihr Gegenüber, den Personalentscheider: Dieser hat eine freie Stelle, die er mit der richtigen Person besetzen möchte. Die richtige Person ist jemand, der qualifiziert für das Profil der offenen Stelle ist - und der ins bestehende Team passt. Der Personaler hat Ihre Unterlagen vorliegen, er kennt Ihre Zeugnisse und Ihren beruflichen Werdegang. Er hat vielleicht Ihr Bild gesehen. Jetzt möchte er die Person dahinter kennen lernen. Er will wissen, wer Sie sind. Er will abschätzen können, wie erfolgreich Sie sich ins bestehende Team eingliedern werden, er möchte wissen, ob Sie zum Firmenimage passen ... er möchte die beruflichen Eckdaten, die er schon kennt, mit Leben füllen.
Der Personalentscheider selbst hat keine leichte Aufgabe: Wenn er sich für die falsche Person entscheidet, kostet das das Unternehmen wichtige Zeit und Geld. Im Gespräch ist Ihre Persönlichkeit wichtig. Wenn Sie fachlich hervorragend qualifiziert sind, aber nach drei Monaten die Firma wieder verlassen (müssen), weil Sie mit dem allgemeinen Firmenambiente und den Leuten nicht zurechtkommen, ist niemandem geholfen: dem Unternehmen nicht und Ihnen nicht.
Ein normales Interview dauert zwischen einer halben und einer Stunde. In Ausnahmefällen länger. Manchmal gibt es einen Einstellungstest.
Aus der Sicht des Bewerbers
Der Bewerber hat ähnliche Ziele - und deshalb wundert es mich um so mehr, dass viele Bewerber so passiv und manchmal sogar verschreckt auf ihrem Stuhl herumrutschen (auch wenn Nervosität verständlich ist).
Sie möchten doch auch herausfinden, ob Sie bei dieser Firma überhaupt arbeiten möchten! Gefällt Ihnen die Aufgabe? Sagt Ihnen das Produkt/die Dienstleistung zu? Wie sieht es in dem Büro aus? Was ist dem Unternehmen wichtig? Stimmen Ihre Einstellung und die des Unternehmens überein? Was arbeiten dort für Leute?
Sie haben ein ähnliches Ziel wie Ihr Gegenüber: Sie möchten den anderen kennen lernen und abschätzen können, ob Sie die richtige Entscheidung treffen.
Wenn Sie sich irgendwie erfolgreich durch's Gespräch mogeln und dann eine Stelle bekommen, bei der sich nach wenigen Monaten herausstellt, dass es das doch nicht war, haben Sie ebenfalls verloren. Sie müssen von neuem eine Stelle suchen, Sie fühlen sich vielleicht als Versager, Sie haben unter Umständen das Gefühl, einen Makel in Ihrem Lebenslauf zu haben.
Hier nebenbei angemerkt: Die Probezeit ist durchaus dazu da, dass beide Seiten feststellen können, ob sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Sofern irgendein Aspekt wirklich nicht harmoniert, nützen Sie die Probezeit. Das ist auch kein Makel (auch wenn es Ihnen so vorkommt).
Wichtig ist, dass Sie nicht von vornherein in eine Situation kommen, wo eigentlich vorprogrammiert ist, dass man sich gleich wieder trennt. Gerade die Bewerbungsphase bietet Ihnen die Möglichkeit, gleich festzustellen, ob es passen kann oder nicht. Garantien haben sie natürlich keine.
Wie lernt man das Gegenüber kennen?
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem Geburtstagsfest. Es stehen alle möglichen Leute rum. Sie werden vom Gastgeber einigen Leuten vorgestellt. Und nun? Sie holen sich ein Bier und fangen an, mit anderen zu reden. Sie stellen Fragen. Je mehr Fragen Sie stellen, desto mehr erfahren Sie vom anderen. Und so stellen Sie fest, was für Ansichten der andere hat, welche Interessen er hat, wie er sich gibt, wie er spricht - und schließlich wissen Sie, ob Sie ihn um seine Telefonnummer bitten und in Kontakt bleiben oder es bei dem kurzen Treffen belassen möchten.
Genauso ist es im Bewerbungsgespräch. Nur wenn Sie viel fragen, können Sie sich über die Antworten ein Bild von der Person und von der Situation machen.
Die Fragen, die Ihnen gestellt werden
Als Bewerber sind Sie in der Regel zuerst derjenige, der gelöchert wird. Sie kennen die Fragen ja vermutlich bereits.
Es gibt die Fakten-Fragen, zum Beispiel:
Den meisten Bewerbern fallen diese Fragen relativ leicht. Allerdings Vorsicht: beschönigen Sie nicht. Es ist erstaunlich, was Leute alles versprechen, was sie können - und dann leider nicht stimmt. Sie tun sich damit überhaupt keinen Gefallen. Wenn es einen Einstellungstest gibt, rasseln Sie durch, wenn Sie beschönigt haben. Und wenn es keinen gibt und Sie eingestellt werden, haben Sie in Ihrem Job erhebliche Schwierigkeiten, die unter Umständen dazu führen, dass Sie wieder ausgestellt werden.
Computer- und Englischkenntnisse zum Beispiel. Hier habe ich die tollsten Dinger erlebt:
Da erzählt mir eine Bewerberin im Brustton der Überzeugung, dass Sie diverse Computersoftware beherrscht. Und auf meine Frage, welche Textverarbeitungsprogramme, höre ich: "Windows!"
Eine andere preist ihre Excel-Kenntnisse an: Sie könne das Programm sehr gut, habe sehr viel damit gearbeitet. Auf Nachfrage stellt sich jedoch heraus, dass in ihrer früheren Firma zwar mit Excel gearbeitet wurde, dass die Beherrschung des Programmes (!) sich bei ihr jedoch auf das Ausfüllen eines vorgegebenen Spreadsheets bezog und sie überhaupt nicht wusste, wofür Excel eigentlich gut ist.
Englisch war ein Erfordernis in meiner früheren Firma, weil sich das Haupthaus in London befindet. Auf die Frage "Wie ist denn Ihr Englisch?" hörte ich in der Regel: "Guuuut! Es ist vielleicht etwas eingerostet, aber das klappt wunderbar." In dem Moment, wo ich darum bitte, dass wir einige Sätze in Englisch austauschen, ist hier relativ schnell die Luft raus. Das Spektrum reicht von denen, die sich wenigstens radebrechend irgendwie durchwinden bis zu denen, die meine simplen kurzen Fragen überhaupt nicht verstehen und sich weigern, Englisch zu sprechen.
Bringen tut das nichts. Denn selbst wenn ich das Englisch nicht getestet hätte, ist es nun einmal eine Tatsache, dass mehrmals am Tag ein englisches Gespräch geführt werden muss. Das heißt, es führt gar kein Weg daran vorbei. Wieso also lügen?!
Dann gibt es die Versprecher-um-jeden-Preis: Sie sind ehrlich und sagen, dass sie Lücken haben. Dass sie zum Beispiel lange kein Englisch mehr gesprochen haben, aber, wenn sie die Stelle bekommen, auf jeden Fall einen Englischkurs machen werden, um ihre Kenntnisse aufzufrischen.
Leider, leider habe ich zu oft mitbekommen, dass eine Person, die dann eingestellt war, sich überhaupt nicht um dieses Versprechen gekümmert hat.
Wie finden Sie es, wenn Ihnen jemand etwas zu tun verspricht- Sie Ihren Teil einlösen, der andere aber nicht mal daran denkt? Wirft kein gutes Licht auf den neuen Mitarbeiter!
Dann gibt es die Fragen, die darauf abzielen, Sie als Person zu "fassen":
Hier haben erstaunlich viele Leute Schwierigkeiten, ihre ehrliche Meinung zu sagen. Doch gerade die braucht Ihr Personaler, sonst kann er sich ja kein Bild von Ihnen machen.
Ich wiederhole noch mal: Sie sollen in dem Gespräch nicht auf Biegen und Brechen einen guten Eindruck machen. Sie sollen auch nicht etwas sagen, nur weil Sie glauben, daß Ihr Gegenüber es hören möchte.
Seien Sie clever und hören Sie zu:
Welche Fragen stellt Ihr Gegenüber? --- Daraus können Sie meist hören, welche Eigenschaften ihm wichtig sind, worauf das Unternehmen Wert legt.
Wie stellt er die Fragen? --- Will er Sie provozieren?
Wie sitzt er Ihnen gegenüber? --- Beugt er sich vor, ist interessiert. Lehnt er sich zurück, wirkt gelangweilt?
Diese individuell zu beantwortenden "Meinungsfragen" werden meist in dieser Form beantwortet:
1. Die selbstsicheren Bewerber antworten ehrlich und sagen ihre Meinung.
2. Dann gibt es die vermeintlich cleveren, die ein Buch darüber gelesen haben, was man auf bestimmte Fragen antworten soll.
3. Dann gibt es die Bewerber, die böse werden (ungelogen!), die Fragen einfach nicht beantworten und sich beschweren, was das für komische Fragen sein sollen.
Nummer 1: wunderbar!
Nummer 3: brauchen wir darauf einzugehen, ob diese Leute die Stelle bekommen werden?
Nummer 2 ist leider weit verbreitet.
Das ist meiner Meinung nach der Fluch der Bewerbungsbücher. Anstatt hier Hilfe zur Vorbereitung zu geben, werden in manchen Büchern vorformulierte Antworten als "beste Reaktion" verkauft.
Bitte tauschen Sie noch mal Platz und versetzen Sie sich in den Personalentscheider. Sie haben 12 Bewerbungsgespräche. Und zehn von den zwölf Leuten verhalten sich gleich:
Frage: Was sind Ihre Schwächen?
Antwort: Ach wissen Sie, wenn, dann bin ich viiiiiel zu genau!
Frage: Was bedeutet für Sie Stress?
Antwort: Stress kann ich gar nicht genug haben. Ich werde dann vollkommen ruhig und systematisch. Ich brauche Stress!
Wenn ich diese Standards höre - vor allen Dingen, wenn ich sie ins Gesamtbild setze, also dazu wie sich die Person sonst im Gespräch verhält - hake ich innerlich schon ab.
Angenommen Sie sind jetzt tatsächlich jemand, der ehrlich so auf Stress reagiert: Dann tun Sie sich und Ihrem Gegenüber den Gefallen, anders zu formulieren. Geben Sie ein Beispiel aus der Praxis. Füllen Sie Ihre Antwort mit mehr Fleisch. Dann wird das auch als Ihre ehrliche Meinung erkannt und nicht als Standard-Geschwafel missverstanden.
Das sind dann diese Gespräche, aus denen ich frustriert rausgehe, weil ich ein "Nicht-Gefühl" von dem Bewerber habe, ihn also nicht greifen kann. Und das hat natürlich zur Folge, dass er nicht unter meine Favoriten kommt. Weil ich nicht WEISS, wie er ist. Denn er hat mir aus einem Buch zitiert anstatt sich selbst zu zeigen.
Machen Sie nicht den Fehler, zu spekulieren, was Ihr Gegenüber hören möchte. Sie wissen es nämlich nicht. Und wenn es blöd läuft, spekulieren Sie genau in die falsche Richtung.
Die Fragen, die Sie stellen
Es ist traurig, dass wirklich sehr wenig Bewerber das Gespräch für sich nutzen. Sich ein Bild von der Firma machen.
Jetzt gibt es ja auch viele Personalentscheider, die erstaunlich schlechte Interviews führen: die nicht fragen, sondern selbst reden-reden-reden und hinterher nichts über den Bewerber wissen. Wenn Sie an so jemanden geraten, nutzen Sie Ihre Fragen, um Informationen über sich an den Mann zu bringen. Wenn er Ihnen nicht die Gelegenheit gibt, sich zu präsentieren, indem Sie seine Fragen beantworten, dann geben Sie ihm Antworten über den Umweg, Fragen zu stellen.
Was meine ich damit? Vielleicht ist Ihnen das Arbeitsklima sehr wichtig. Sie können dann zum Beispiel sagen: "Ich lege großen Wert darauf, mich mit meinen Kollegen menschlich gut zu verstehen und kollegial zusammenzuarbeiten, das heißt für mich, dass auch jeder für den anderen eintritt und hilfsbereit ist. Wie beurteilen Sie das Arbeitsklima in Ihrem Unternehmen?"
Ich habe viel zu oft Bewerber im Gespräch gehabt, die beim Startschuss "Sie sind dran! Was kann ich Ihnen beantworten?" sagten:
Danke für das Gespräch.
Leute, Leute!
Was machen Sie denn? Offensichtlich haben Sie null Interesse für uns als Firma und auch keines an den Aufgaben, die mit der Stelle verbunden sind, für die Sie sich gerade bewerben.
Regel Nummer 1: Im ersten Gespräch hat die Frage nach dem Gehalt nichts zu suchen.
Wenn Ihnen persönlich das Gehalt so brutal wichtig ist, dass die Stelle völlig in den Hintergrund tritt, oder wenn Sie nicht wissen, ob die Stelle, für die Sie sich bewerben, Ihrem Gehaltslevel entspricht, dann schreiben Sie Ihre Gehaltsvorstellung in einem Nebensatz gleich in Ihre Bewerbung rein. Das ist durchaus üblich und fällt nicht negativ auf. Sie müssen dann damit rechnen, dass Sie gleich eine Absage bekommen oder einen Anruf wegen des Gehalts. Wenn Ihre Vorstellungen ernstgemeint sind, der Personalentscheider dieses Gehalt aber nicht bezahlen wird, hat es ja ohnehin keinen Zweck, zu einem Gespräch zu kommen.
Wenn Sie aber im ersten Kennenlerngespräch sind und sich ausschließlich nach Bezahlung und Urlaub erkundigen, dann kann ich mir ja schon ausrechnen, wie engagiert und enthusiastisch Sie an die Sache rangehen werden.
Übertragen wir diese Situation doch noch einmal ins Privatleben. Sie lernen auf dem Geburtstagsfest eine nette Frau oder einen netten Mann kennen, für den Sie sich interessieren. Und anstatt mehr über ihn herauszufinden, was er für Interessen hat, welche Meinungen er vertritt, ist das Erste, was Sie fragen:
Das wäre absurd!
Genauso absurd ist diese Situation im Bewerbungsgespräch.
Stellen Sie doch im eigenen Interesse Fragen, die Ihnen helfen zu beurteilen, ob Sie in dieser Firma und in dieser Position überhaupt arbeiten wollen und können.
Nutzen Sie auch im Vorfeld Möglichkeiten, sich über die Firma zu informieren. Eine gute Quelle ist heutzutage natürlich das Internet: fast jede Firma hat eine eigene Homepage. Wenn Sie einen Mitarbeiter dieser Firma schon kennen, quetschen sie diesen aus. Oder fordern Sie einfach einen Firmenprospekt an. Achten Sie auf alle Fälle auch auf die Stellenanzeige: Wie sieht das Layout aus? Was steht drin? (Was steht nicht drin?).
Schritt 2: Lesen Sie, was Sie von dem Unternehmen bekommen haben und überlegen Sie sich intelligente Fragen dazu.
Versetzen Sie sich vor dem Gespräch in den Personalentscheider, fassen Sie zusammen, was Sie über das Unternehmen wissen und überlegen Sie sich, was SIE fragen würden, wenn Sie diese Stelle besetzen möchten. Bringen Sie die Unterlagen mit und legen Sie sie auf den Tisch. Machen Sie sich Notizen. Schreiben Sie Ihre Fragen ruhig vorher auf und schreiben die Antworten während des Gesprächs auf. So können Sie hinterher noch mal das Interview Revue passieren lassen.
Dann sind Sie auf jeden Fall super vorbereitet. Wenn Sie jetzt noch offen und ehrlich sind in dem Gespräch, also AUTHENTISCH, schaffen Sie für beide Seiten die richtigen Bedingungen, um eine gute Entscheidung zu treffen.
Über die Autorin:
(c) Gitte Härter
eMail: objektiv@selbstmarketing.de
Gitte Härter war selbst Führungskraft und viele Jahre Coach und Trainerin. Außerdem hat sie über zwei Dutzend Ratgeber veröffentlicht: www.schreibnudel.de .
Gemeinsam mit Christine Öttl hat sie unter anderem zahlreiche Bewerbungsratgeber veröffentlicht.
Link zum Buch: