Autorenbild Vogel & Detambel coaching for executivesTipps und Hilfe zur Bewerbung

Stellenanzeigen – das Poesiealbum des Arbeitsmarktes
Wie man Anzeigentexte richtig liest

Ein Beitrag von Vogel & Detambel coaching for executives

In der Werbebrache kennt man den Beruf des Werbe-Texters. Den Beruf des Stellenanzeigen-Texters gibt es jedoch nicht. Stellenanzeigen muss jeder selbst texten: Normalerweise der Personalleiter, und wenn’s den im Unternehmen gar nicht gibt, der Abteilungsleiter oder vielleicht sogar der Chef höchstpersönlich. Hat der keine Lust dazu oder ist damit überfordert, dann seine Sekretärin. Kein Wunder, dass sich viele Anzeigentexte so lesen, als wären sie irgendwo abgeschrieben. Die Bewerber lassen sich davon aber offenbar nicht abschrecken. Wäre es anders, gäbe es schon längst keine lieblos getexteten Stellenanzeigen mehr. Andererseits hat noch nie jemand den Beweis erbringen können, dass sich auch nur eine einzige Person zusätzlich bewirbt, wenn auf den Anzeigentext besondere Mühe verwendet wurde.

Für die meisten Inserenten ist die Uniformität der Texte also kein Problem. Bewerber, die die Anzeige missverstanden haben, bekommen ihre Unterlagen einfach postwendend zurück – das ist für den Empfänger der Bewerbung kein größerer Aufwand. Aus Sicht des Bewerbers stellt sich die Angelegenheit allerdings ganz anders dar. Wer fünf, zehn, oder gar zwanzig Bewerbungen verschickt hat und bekommt sie dann wenig später zusammen mit einer nichtssagenden Absage zurück, dem tut es nicht nur um die aufgewendete Zeit und das Geld leid, dem kommen auch ernste Selbstzweifel.

Jede Absage unterminiert das Selbstbewusstsein, deshalb sollte das Ziel niemals sein, möglichst viele Bewerbungen zu verschicken, sondern genau das Gegenteil - möglichst wenige. Die aber an die richtigen Adressaten. Man sollte sich also nur dann und nur dort bewerben, wo man wirklich gute Aussichten auf Erfolg hat. Keine oder zu geringe Aussichten auf Erfolg hat man immer dann, wenn man definierte Voraussetzungen nicht erfüllen kann:


  • Wird jemand „schnellstmöglich“ gesucht, dann hat man als Bewerber mit einer 6-monatigen Kündigungsfrist schlechte Karten.

  • Heißt es „Sie sind Anfang bis Mitte Dreißig“, dann darf man sich vielleicht noch als 36- oder 37-Jähriger bewerben. Ist man jedoch älter, kann man sich die Bewerbung und das Briefporto sparen. Der 45-Jährige ist einfach keine Alternative für den 32-Jährigen - und umgekehrt.

  • Wird ein Hochschul- oder Fachhochschul-Studium vorausgesetzt, hat man mit einem Techniker-Abschluss keine Chance.

  • Wenn gutes Englisch in Wort und Schrift benötigt wird, macht es keinen Sinn, Spanisch als Alternative anzubieten.

  • Werden mehrjährige Erfahrungen in der Führung qualifizierter Mitarbeiter gefordert, hilft es nicht, die Vorstandstätigkeit im Kegelclub ins Feld zu führen. Auch mit einem kunstvoll getexteten Anschreiben ist der Unterschied zwischen einem Erwerbsbetrieb und einem Kegelclub nicht wegzuargumentieren.

Eine Bewerbung hat in all diesen Fällen kaum jemals Aussicht auf Erfolg. Anders verhält es sich, wenn im Text „Weichmacher“ auftauchen:


  • Ein beliebter Weichmacher ist z.B. das Wort „möglichst“.

  • Statt „möglichst“ kann es auch heißen „es wäre schön, wenn Sie dies oder jene Erfahrung hätten....“.

  • „Sie beherrschen Englisch und möglichst eine zweite Fremdsprache“ – heißt im Klartext, dass bei der zweiten Fremdsprache von „Beherrschen“ schon keine Rede mehr sein muss.

  • „Sie sollten möglichst nicht älter als 40 sein“, bedeutet, dass sich auch der 45-Jährige noch bewerben kann. Allerdings nur, wenn er alle anderen in der Anzeige genannten Kriterien voll erfüllt. Kann er das nicht, dann wird aus dem Weichmacher sofort wieder ein „Hartmacher“, und die Chancen des 45-Jährigen sinken gegen Null.

  • Ein anderer Weichmacher heißt „vergleichbar“. Steht in der Anzeige: „Sie sind Ingenieur oder haben einen vergleichbaren Abschluss“, dann darf auch jemand, der nicht Ingenieur ist, genauer hinschauen – also zum Beispiel der Techniker.

Taucht das Wort „vergleichbar“ auf, also z.B. „vergleichbare Ausbildung“ oder „Erfahrungen aus einer vergleichbaren Branche“, „Erfahrungen aus einer vergleichbaren Tätigkeit“, dann sind viele, auch sehr unterschiedliche Voraussetzungen denkbar. Die kann man nicht alle im Text aufführen, das würde den Rahmen der Anzeige sprengen. Anzeigen sind nämlich sehr teuer - da kostet jeder zusätzliche Textabsatz gleich einen Tausender mehr. Die Kunst des Anzeigen-Textens besteht also im Vereinfachen und im Weglassen. Oder anders ausgedrückt: Als Bewerber bekommt man eigentlich nie die Information, die man benötigt, um sich für oder gegen eine Bewerbung zu entscheiden.

Das wissen auch die Inserenten, deshalb bieten die meisten von Ihnen an, per Telefon weitere Informationen zu geben und Fragen zu beantworten. Wer dieses Angebot nicht nutzt, ist selber schuld. Den Zeitpunkt für seinen Anruf sollte man allerdings mit Bedacht wählen. Wer alle in der Anzeige genannten Voraussetzungen erfüllt, kann sofort anrufen. Wer dagegen ein oder zwei der Voraussetzungen nicht oder nicht ganz erfüllt, tut das besser nicht; denn er riskiert damit, sich eine sofortige Absage einzuhandeln. Besser ist es, ein paar Tage später anzurufen. Stellt der Inserent nämlich fest, dass der Bewerbungseingang weit hinter seinen Erwartungen zurückbleibt, dann wird er die ein oder andere Anforderung, die er in der Anzeige genannt hatte, fallen lassen, um die Position überhaupt besetzen zu können. Wer jetzt anrufen, hat gute Chancen auf Interesse zu stoßen, auch wenn er längst nicht alle Voraussetzungen erfüllt.

Wird in der Anzeige keine Telefonnummer genannt, dann versucht man die Telefonnummer herauszufinden und ruft trotzdem an. Damit betritt man das Unternehmen sozusagen durch den Dienstboteneingang. Schon möglich, dass man dann mit einem Umgangston konfrontiert wird, der nicht so recht zu dem Stil passt, den das Unternehmen in seinen Hochglanzbroschüren propagiert. Solche Anrufe können also ziemlich desillusionierend sein; aber besser man erlebt „das blaue Wunder“ vor der Bewebung als nach der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag.



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Über die Autoren:


Vogel & Detambel
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65187 Wiesbaden
Kompetenz aus 25 Jahren Tätigkeit in den Bereichen Personalberatung und Executive Search (u.a. für Neumann International, Berndtson-Gruppe, Eurosearch-Gruppe, Knight-Wendling), Outplacementberatung seit 1994.
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